E I N L E I T U N G B E R I C H T F O T O S
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Malé – Rifugio Vallesinalle
53 km • +2.100 hm • -1.300 hm • 6 h 24 min

TAG

Die lang geplante Brentaetappe beginnt ganz ordinär auf langweiligen Nebenwegen. Erst kurz vorm Lago di Tovel am Nordende der Brentagruppe wird die Landschaft felsiger und dolomitenartig (aber nur rein optisch, die eigentlichen Dolomiten beginnen östlich des Etschtals, während unsere Tour komplett westlich dieses großen Alpeneinschnitts entlang führt).
Am See angekommen stürmen wir das erst beste Gasthaus, denn etwas zu essen haben wir jetzt bitter nötig. Dass wir um diese Zeit (es ist elf Uhr) nur ein kleines Vesper bekommen, ist uns egal - Hauptsache was zu beißen. Ich lasse mir vom Kellner (der eigentlich eine Kellnerin ist, wie wir erst mit einiger Verspätung feststellen) ein Telefonbuch bringen und suche die Nummer vom Rifugio Graffer unterhalb des Passo del Groste, wo wir heute übernachten wollen, raus. Doch das Pech scheint auf unserer Seite: Die Hütte ist komplett ausgebucht.
Ich könnte mir in den Arsch beißen. Hätte ich doch bloß früher angerufen! Ich habe absolut kein Bock, schon wieder im Tal zu übernachten. Wir halten Krisenrat. Ein Blick in die Karte bringt schließlich die Lösung: Wir können am Rifugio Graffer auf einen Singletrail einbiegen, der uns durch das Vallesinella zum Rifugio Vallesinella bringt. Dort würden wir morgen eh vorbei kommen und vielleicht haben die ja noch was frei. Diesmal ist Matthias mit telefonieren dran und hat prompt Glück, denn im Vallesinella haben sie tatsächlich noch Platz für uns.

Hochmotiviert fahren wir deshalb weiter. Mit dem Passo del Groste ist es das allerdings so eine Sache. Viele Transalpler fahren ihn in die andere Richtung als wir es tun und nehmen den einfachen Schotterweg von Madonna hoch. So empfiehlt es auch Transalppapst Uli Stanciu in seinem Buch "Traumtouren Transalp". Dort heißt es sinngemäß, dass der Weg über den Pass vom Lago di Tovel her, so wie wir die Sache angehen, nur etwas für Hartgesottene ist.
Wir haben uns trotz den Warnungen für die harte Variante entschieden. Erstens haben wir so die tolle Abfahrt zum Rifugio Vallesinella nach der Überquerung des Passes und zweitens durchquert so unsere Route die Brenta einmal komplett von Nord nach Süd.
Schnell merken wir jedoch, dass es heute nun wirklich ans Eingemachte geht. Als der Schotterweg nach einer halben Stunde plötzlich endet, gets the going tough. Weiter geht es nämlich auf einem steilen und total verblockten Wandersteig. Wir müssen vom Rad und beginnen zu schieben. Nach ein paar Metern wird es so schwierig, dass wir das Rad gar schultern müssen. Zu allem Überfluss brennt auch noch die Sonne und die Orientierung ist sowieso nicht leicht. Wegmarkierungen sind spärlich und missverständlich, gar nicht ausgeschriebene Pfade dafür umso häufiger. Wir fragen einen italienischen Wanderer, der sich auszukennen scheint und folgen seinen Beschreibungen.
Nach einer Stunde schieben erreichen wir eine grasbewachsene Hochebene, auf der der Weg unvermittelt endet. Zuerst frustriertes, dann verzweifeltes Suchen bringt nichts: Wir können weder einen weiterführenden Pfad, noch eine Wegmarkierung ausmachen. Deshalb machen wir uns schon mit dem Gedanken vertraut, den Rückzug anzutreten und weiter unten im Tal nach einem anderen Abzweig hinauf in Brentafelsen zu suchen, als wir 20 Meter weiter nach einer viertel Stunde plötzlich doch eine Wegmarkierung auf einem Steinblock mitten in der Wiese entdecken. Noch mal zwanzig Meter weiter die nächste. So geht das eine halbe Stunde, bis wir schließlich wieder auf einen Wandersteig treffen. Was natürlich nicht heißt, dass die Sache nun einfacher wird. Mit dem Bike auf der Schulter quälen wir uns Meter um Meter weiter. Selbst beim Fotografieren geben wir uns jetzt, total ausgelaugt, keine Mühe mehr. Wir posieren nicht mehr für die Fotos, sondern halten einfach nur noch auf die umliegenden Berge, um diese grandiose Landschaft zu dokumentieren.

Während wir so vor uns hinstapfen, sind wir die ganze Zeit unsicher, ob wir überhaupt auf dem richtigen Weg sind. Die Kompasskarte hilft uns nicht viel weiter und wo sich die Passhöhe befindet, kann man beim Blick auf die felsigen Berghänge auch nicht erahnen.
Als wir ein grün bewachsenes Hochtal durchquert haben und nun nahe vor majestätischen Felswänden stehen, plötzlich ein Wegweiser. "Passo del Groste" steht darauf. Also doch richtig. Der Weg wird nun noch steiler. Meine beiden Trinkflaschen sind leer. "Hast Du noch was?" frage ich Matthias. Nein, natürlich nicht. Ihm geht's genauso. Meine rechte Schuler, auf der ich die ganze Zeit das Rad trage, schmerzt und die Beine fühlen sich total zittrig an.
Nach vielleicht drei Stunden Gewürge haben wir endlich den Passo del Groste (2.500 m) erreicht. Zugegeben, diese Kraxelei war echt mehr als anstrengend, aber dafür gehörte die Landschaft während des Aufstiegs zum Beeindruckensten, was ich auf meinen Alpentouren bisher zu Gesicht bekommen habe. Am Pass als solchem dagegen herrscht eher eine gespenstische Atmosphäre. Von Madonna di Campiglio führt eine Seilbahn herauf und die Hänge sind zu Geröllwüsten planiert. Obwohl ich selbst das Skifahren liebe, bin ich über Skigebiete ohne Schnee und Skifahrer immer wieder entsetzt.

Im Rifugio Graffer (2.261 m) kehren wir ein und füllen mit Apfelschorle und Magnum unseren Zuckerhaushalt wieder auf. Auf Nachfrage beim Hüttenwirt erfahre ich, dass wir doch noch die zwei letzten Plätze im überfüllten Hüttenlager bekommen könnten. Aber Matthias überzeugt mich davon, doch wie (um)geplant heute bis zum Rifugio Vallesinella (1.550 m) hinab zu fahren. Das Rifugio Graffer ist ziemlich auf Tourismus-Betrieb ausgelegt, was uns nicht so ganz in den Abenteurer-Kram passt und außerdem hat sich hier schon eine andere Gruppe Transalpler breitgemacht, die uns nicht sonderlich sympathisch erscheint.

Es geht also hinab durch die atemberaubende Landschaft der Brenta. Der Singletrail ist eng und schnell merke ich, dass wir es hier mit der schwierigsten Abfahrt der Tour zu tun haben. Während rechts unten die Dächer von Madonna zu erkennen sind, erheben sich links zwischen einzelnen Wolkenfetzen die dolomitischen Felstürme aus den grünen Wiesen heraus. Nach 300 Höhenmetern legt sich Matthias ab - sein Ellenbogen ist aufgerissen und Blut läuft am Unterarm hinunter. Aber er beißt auf die Zähne - jammern würde jetzt eh nichts bringen.
Weiter unten führt der Weg durch eine enge und von Wasserfällen durchzogene Klamm hindurch. Hier müssen wir mal wieder schieben. Eine italienische Wanderin fragt mich nach dem Sinn dieser Unternehmung. Ich ignoriere ihre Frage, denn ich will nach nun über 2.000 Höhenmeter und mehreren Stunden Schieben und Tragen nur noch das Etappenziel erreichen.

Das Rifugio Vallesinella stellt sich, verglichen mit dem Rifugio Graffer, als die richtige Wahl heraus. Die Wirtsleute sind nett, unser Doppelzimmer ist voll in Ordnung und nach jeweils zwei Portionen Abendessen sind wir schließlich sogar satt.


Malé
738 m

Cles
658 m

Lago di Tovel
1.177m

Landschaft

Passo del Groste
2.500m

Passo del Groste

Rifugio Graffer
2.261 m

Rifugio Vallesinella 1.550 m

Rifugio Vallesinella

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© WW TRAILS, 2000-2004 Letzter Update 08.02.2004