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14. August: Stettiner Hütte
- Sölden |
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06.30 Uhr: Guten Morgen allerseits. Ein neuer alpiner Tag bricht an, und das, wie es sich für eine Hüttenübernachtung gehört, mit ausführlichem Geraschel und Gekruschtel im Massenlager. Aber die Sonne, die sich langsam und gleißend über die kargen Spitzen der Texelgruppe in Richtung des strahlend blauen Himmels schiebt, lässt uns schnell wach werden. 07.30 Uhr: Was? Müsli, Frischkäse, verschiedene Käsesorten? Irgendwie haben die aufgestockt. Das Nutella haben wir jetzt wohl umsonst 2.400 Höhenmeter lang den Berg mit hoch genommen. 08.00 Uhr: Nun beginnt der Teil der Tour, auf den ich mich schon bei den Planungen besonders gefreut habe: Der legendäre Eisjöchl-Trail (das Foto stammt vom Vortag - die Typen auf dem Bild schieben gerade von der Lazins Alm hoch) über die verfallene Militärpiste zur Lazins Alm hinab. Die Krux an der Sache: Alle paar Meter stehen senkrecht Schieferplatten auf dem Weg, die wohl dazu dienen sollen, das Schmelzwasser vom Pfad abzuleiten. Wer hier nicht Vorder- und Hinterrad anhebt, riskiert entweder einen Abflug über den Lenker oder einen Durchschlag. 08.05 Uhr: In der Morgensonne flitzen wir über steiles Geröll und durch die ersten Serpentinen nach unten. 08.10 Uhr: Mit einem stumpfen "Plong" landet mein Hinterrad auf einer der besagten Schieferplatten. Es folgt ein langgezogenes "Pfffffff…..". Nur kurz freue ich mich über einen Traktionszuwachs am Hinterrad, dann merke ich, weshalb ich in den Genuss des selbigen komme. 08.20 Uhr: Mit gezügeltem Gasfuß geht es einen Schlauch später weiter. 09.00 Uhr: Tausend Höhenmeter Downhilltrail können ja derart schlauchen. Beseelt von grenzenlosem Trailspaß erreichen wir die Lazins Alm. Ab hier geht es auf einem schnellen Schotterweg weiter. 09.30 Uhr: Auf Asphalt rasen wir Moos in Passeier entgegen. Micha geht mal wieder ab wie Armstrong und saust mit geschätzten (hierbei ein herzlicher Gruß an die Firma Ciclo!) achtzig Sachen gen Tal. Ich lasse es da ein bisschen gemütlicher angehen. Als der "Bikebooster" am Ortseingang einer kleinen Ortschaft auf mich wartet, kann er sich eines ganz besonderen akustischen Genusses erfreuen. Schon als ich noch einige Kurven entfernt bin, so erzählt er später, kann er das "Sssssssssssssrrrrrrrrrrr…" meiner Stollenreifen hören, die mit sechzig bis siebzig Sachen über den Asphalt surren. 10.00 Uhr: Wir erreichen Moos im Passeieretal, hier endet der Speedrausch, denn von nun an geht's bergauf zum Timmelsjoch, einem der bekanntesten Straßenpässe der Alpen. Aber hart wie wir nun mal sind, nehmen wir zunächst nicht die asphaltierte Variante, sondern entscheiden uns für einen der zahlreichen Wanderwege, der sich parallel zum Geschlängel des Asphaltbandes nach oben arbeitet. 10.30 Uhr: Zunächst funktioniert das auch ganz gut. Auf schottrigem Untergrund kurbeln wir gleichmäßig über die bewaldeten Hänge nach oben. 11.00 Uhr: Nun offenbart sich der ganze Schrecken des Weges, den wir gewählt haben: Über steilste Serpentinen zieht sich der Weg als Trampelpfad weiter bergauf, um in circa 2.000 Metern Höhe auf die Timmelsjoch-Straße zu treffen. 11.10 Uhr: Das Gelände ist sogar zum schieben zu steil. Das Rad legen wir uns quer über den Rucksack und arbeiten uns so Schritt um Schritt nach oben. Die Beine ziehen, schweißt rinnt in die Augen und der Puls rast. Was wir hier durchmachen ist nicht mehr als "laufen" zu bezeichnen. Wir klettern mehr oder weniger den Weg nach oben. 11.45 Uhr: Heurekka! Die Straße ist erreicht. Prompt treiben wir eine Wirtschaft am Straßenrand auf, wo wir uns einen kleinen Nahrungsnachschub gönnen. 12.30 Uhr: Wir machen uns an die verbleibenden circa 500 Höhenmeter auf der Passstraße. 13.30 Uhr: Noch schnell durch einen dunklen Tunnel gekeucht und schon stehen wir mal wieder auf dem Alpenhauptkamm - das Timmelsjoch ist erreicht. Auf dem letzten Foto der Tour ist zu erkennen, dass unser Text und das Schild auf der Passhöhe unterschiedlicher Meinung sind, was die Höhenangabe angeht. Ich habe mich beim Schreiben nach der Kompasskarte gerichtet, aber so wie ich die Firma Kompass (das Microsoft der Tourenbiker!) kenne, hat wahrscheinlich das Schild recht. Was sich direkt über uns abspielt, ist abenteuerlich: Der Himmel verdunkelt sich plötzlich, Windböen peitschen über die Passhöhe, erste Regentropfen fallen und in der Ferne rollt grollend der Donner heran. Wir lassen einen Motorradfahrer für die Dokumentation des heldenhaften Augenblicks sorgen und treten postwendend die Flucht an. Eigentlich wollten wir vom Timmelsjoch auf dem E5-Wanderweg ins Tal und zurück nach Sölden gelangen. Unter wettertechnischen Gesichtpunkten können wir das nun erden und entscheiden uns für die schnelle Timmelsjochstraße. 13.45 Uhr: Mit einem Schneckentempo von circa 50 km/h kriecht ein vollbesetzter Reisebus vor uns her, der, so scheint es, Senioren von der südtiroler Kaffeefahrt zurück in die Heimat bringt. Nicht mit uns, wir scheren aus und machen das Ungetüm auf der Gegenfahrbahn platt. 13.50 Uhr: Nein, diesen Gegenanstieg hatten wir nicht eingeplant. Prompt hat uns auch der Reisebus wieder. Das allerdings ist unser kleinstes Problem. Viel gravierender: Der Donner rollt heran und macht die Weltuntergangsstimmung um uns herum perfekt. 15.00 Uhr: Von Regen und Windböen getrieben erreichen wir Sölden. Der Kreis schließt sich, die lang geplante Ronda Altissima ist geglückt. Es bestätigt sich auch in diesen Sekunden mal wieder: Ein denkwürdiger Moment gibt sich, sofern man ihn gerade erlebt, meist wenig spannend. Relaxt räumen wir die Räder ins Auto und treten über den Fernpass die Heimreise an.
Epilog: Was bleibt nach einer Woche mit genialem Wetter, tollen Trails und gigantischer Landschaft schon groß zu sagen? Tja, geil war's mal wieder! Nur die Etappenlänge hat nicht so gepasst: Eine Marathonetappe am Anfang, bei der wir weit übers Limit hinausgeschossen sind, zur Tourmitte dann zwei Bummeletappen - das war nicht gerade ausgewogen. Wer mag, schafft die Ronda Altissima übrigens locker in fünf Tagen. Hätte uns nicht die mörderische Hitze in Naturns nicht zur Rast gezwungen, wären wir vielleicht auch nach fünf Etappen wieder zurück in Sölden gewesen. |
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